Noch wenig Licht, dafür aber viel Schatten

JU: Lieber Franz, wie beurteilst du die bisherige Arbeit der Ampel-Koalition in Berlin?

 

Pschierer: Zunächst einmal muss man anerkennen, dass sich SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP relativ schnell auf einen Koalitonsvertrag geeinigt haben. Für mich zählt aber aus Sicht der Unternehmen nicht Geschwindigkeit, sondern der Inhalt. Und da gibt es durchaus berechtigte Kritik.

 

JU: Was sind denn die Hauptkritikpunkte, gerade aus Sicht eines Wirtschaftspolitikers?

 

Pschierer: Das mag vielleicht etwas überspitzt klingen, aber im Grunde haben wir mit Robert Habeck keinen Wirtschaftsminister bekommen, sondern einen Klimaaktivisten. Dabei ist Wirtschaftspolitik doch weit mehr als Klimapolitik. Es geht zum Beispiel um eine nachhaltige, aber auch sichere und bezahlbare Stromversorgung der privaten Haushalte und Unternehmen. Oder die noch immer angespannte Situation bei den Lieferketten. Die Industrie geht zwar mit verhaltener Zuversicht ins Jahr 2022. Aber die Lieferketten sind nach wie vor zum Zerreißen gespannt, so dass der Wirtschaft ein weiteres "Stop-and-Go-Jahr" droht. Das Thema Bürokratieabbau ist ein weiteres Dauerthema. Hier war schon die Vorgängerregierung nicht unbedingt ein Bahnbrecher. Mit Rot-Grün-Gelb sind bei diesem Thema leider auch keine größeren Fortschritte zu erwarten. Und Ende Januar hat Habeck mit dem Förderstopp bei Gebäudesanierung und -neubauten vielen Familien, die sich den Traum vom bezahlbaren Eigenheim erfüllen wollen, einen Bärendienst erwiesen und zugleich die riesigen Potentiale im Bau für mehr Klimaschutz untergraben. In Sonntagsreden gibt sich Habeck dagegen gerne als Advokat der Nachhaltigkeit. Tja, was soll man auch von einem Bundeswirtschaftsminister halten, in dessen erster Grundsatzrede im Deutschen Bundestag der Begriff „Wirtschaft“ so gut wie überhaupt nicht vorgekommen ist?

 

JU: Und wie schaut es bei den anderen Politikbereichen aus?

Pschierer: Bundeskanzler Olaf Scholz glänzt bislang eher dadurch, dass er permanent auf Tauchstation geht. Doch wegducken gilt nicht angesichts der zahlreichen Probleme in Verbindung mit der Corona-Pandemie oder außenpolitischer Herausforderungen. Nehmen wir das Beispiel Ukraine-Konflikt. In solchen Krisenzeiten wünscht man sich Kanzler des Formates Helmut Kohl, Helmut Schmidt oder Willy Brandt zurück. Scholz scheint wohl selber von seinem Wahlsieg überrascht gewesen zu sein. Jedenfalls ist er als Kanzler bislang noch nicht angekommen.

 

JU: Gut, soviel zum Bundeskanzler. Aber die Bundesregierung ist mehr als der Bundeskanzler.

 

Pschierer: Natürlich. Aber auch da sieht es leider nicht viel besser aus. Nur zwei Beispiele: Die ersten Auftritte der neuen Außenministerin Annalena Baerbock waren undiplomatisch, unsicher und unprofessionell. Und auch ihre Rhetorik sowie ihre Fremdsprachenkenntnisse sind ausbaufähig. Wir benötigen eine verlässliche Außenpolitik im Dienste des Landes. Um diesen hohen Ansprüchen gerecht zu werden, wird es für sie als Chefin des Auswärtigen Amtes auch darauf ankommen, in Zukunft mehr diplomatische Souveränität auf der internationalen Bühne auszustrahlen. In Bezug auf den Einmarsch russischer Streitkräfte in die Ukraine hat sie allerdings Gottseidank deutliche Worte gefunden. Gut so.

 

Dann haben wir mit Christine Lambrecht eine Verteidigungsministerin, die sich damit gebrüstet hat, 5.000 Helme an die Ukraine liefern zu wollen, und die dies als ganz deutliches Signal der Verbundenheit mit der Ukraine gefeiert hat. Man muss hier doch mit der Gefühlslage der Ukrainer sensibler umgehen. Ihre Ängste sind real, die Bedrohungslage nicht eingebildet. Angesichts der Verbrechen, die von Deutschen im 2. Weltkrieg auch in der Ukraine begangen wurden, finde ich die Aktion der Ministerin beschämend. Sie mit dem Impetus „Wir stehen an eurer Seite!“ zu verkaufen, ist einfach nur lächerlich. Die Bundeswehr hatte aber schon mit ihren Vorgängerinnen im Amte – Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen – wenig Glück. Jetzt scheint es noch weiter runter zu gehen.

 

JU: Werfen wir zum Schluss auch noch einen Blick auf die eigene Truppe. Wie steht die Union derzeit deiner Meinung nach da?

 

Pschierer: Die Bundestagswahl im vergangenen Jahr war für uns eine schmerzliche Niederlage. Es gilt, daraus die richtigen Lehren zu ziehen. Ich habe den Eindruck, dass sich die CDU mit Friedrich Merz an der Spitze wieder stabilisiert hat. Was mich natürlich freut, ist, dass Merz sich klar zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft bekennt und es unter ihm kein weiteres Abrücken nach links geben wird. Für beide Schwesterparteien gilt gleichermaßen, jetzt eine klare Linie zu fahren. Wir müssen als Union endlich wieder eine Politik mit klarem Kompass machen und den Menschen mit bürgerlichen Überzeugungen eine politische Heimat bieten. Dabei gilt es, den politischen Gegner nicht im eigenen Haus auszumachen – wie dies leider im Rahmen des Bundestagswahlkampfes in der Auseinandersetzung mit Armin Laschet geschehen war und was uns als CSU im Übrigen sehr geschadet hat – sondern bei den anderen Parteien. Ich bin mir ziemlich sicher, dass uns die Regierungsparteien zahlreiche Angriffspunkte liefern werden. Diese Chancen müssen wir dann aber auch konsequent nutzen, um wieder mehr Wähler von unserem Personal und unseren Inhalten zu überzeugen. Insbesondere müssen wir Vertrauen bei denjenigen unserer Wählerklientel zurückgewinnen, die uns bei der letzten Bundestagswahl nicht mehr ihre Stimme gegeben haben und zu den anderen Parteien abgewandert oder erst gar nicht zur Wahl gegangen sind.

 

JU: Lieber Franz, danke für das Interview!

 

Hinweis: Franz Josef Pschierer hat die CSU im September 2022 verlassen.