"Meiner Meinung nach kann man anders auf politische Missstände aufmerksam machen", sagte der Augsburger Georg Zimmermann nach dem Ende der 12. Etappe der diesjährigen Tour de France. Bezug nahm er dabei auf die Protestaktion von Umweltaktivisten, die durch eine Sitzblockade auf der Rennstrecke verursachten, dass die Veranstalter das größte Radrennen der Welt für wenige Minuten unterbrechen mussten.
Politische Geschehnisse scheinen vor den größten Sportevents nicht mehr Halt zu machen. So beschlossen die Veranstalter von Wimbledon, dem wohl berühmtesten Tennisturnier der Welt, Sportler aus Russland und Belarus aufgrund der Sanktionen infolge des Russland-Ukraine-Kriegs vom Turnier auszuschließen. Doch was folgte, war die Zäsur sportlicher Leistungen: Für das Turnier durften keine Weltranglistenpunkte vergeben werden. Der sportliche Wert sank gegen null. Politische Entscheidungen wie diese beeinflussen somit zwangsläufig das sportliche Geschehen.
Ausgeschlossen wurde unter anderem der Weltranglistenerste Daniil Medvedev. Doch vermischen sich in der öffentlichen Diskussion nicht zwei Rollen: die des Sportlers und die des politisch denkenden Menschen?
Sport kann ohne Politik nicht existieren. Das ist klar. Könnten viele deutsche Spitzensportler ohne staatliche Fördergelder oder Arbeitsplätzen bei Polizei, Bundeswehr und Zoll ihren Sport nicht ausüben. Viele dieser Sportler vertreten dann das eigene Land bei internationalen Sportwettkämpfen, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Und damit einher geht, dass sie verstärkt die Werte und Normen ihres Heimatlandes repräsentieren. Aber es mag schwierig sein, die “Staatsbürger in Trainingsanzügen”¹ für das politische Handeln ihrer Heimatländer verantwortlich zu machen. Sie denken politisch und handeln wahrscheinlich auch so (z.B. bei Wahlen). Doch politische Verantwortung übernehmen sie nicht. Schlussendlich sind sie Sportler.
Sanktionen liegen in der Hand von Regierungen. Ungehindert davon sollten Sportler ihre Profession ausüben können, wenn sie ihre sportlichen Aktivitäten von politischer Einflussnahme trennen. Problematisch wird es immer dann, wenn Regierungen sportliche Großevents zur staatlichen Inszenierung und Instrumentalisierung nutzen. Doch hier sind die Sportverbände gefordert.
Anstelle der Sportler sollten Sportverbände deutlicher auftreten. So sind es die Sportverbände, die die Interessen gegenüber der Politik wahrnehmen und dabei des Öfteren selbst politisch aktiv werden. Demzufolge fungieren sie als Bindeglied zwischen Sport und Politik. Daher kommt diesen Verbänden auch eine Schutzfunktion für Sportler zu. Und noch viel mehr der Ausübung des Sports. Denn Sport vereint Menschen und schafft Frieden - und das über Grenzen hinweg. Und genau deshalb erhielt das olympische Motto im Jahr 2021 einen Zusatz: “schneller, höher, stärker - gemeinsam”. Gemeinsam! Dies gilt es zu schützen.
In Anlehnung an ein bekanntes Zitat des österreichischen Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick: "Man kann nicht nicht politisch sein", können und sollen sich Sportler, Sportveranstaltungen und -verbände dieser Tatsache nicht entziehen. Doch im Vordergrund sollte stets der Sport stehen. Die Politik findet ihren Platz im vielfältigen Handwerkskasten der Demokratie - zum Beispiel in den Wahllokalen, bei politischen Diskussionen und Demonstrationen. Denn es gibt viele Möglichkeiten, um auf politische Missstände aufmerksam zu machen - und das vor allem abseits des Sports.
PS: Vom 11. bis zum 21. August 2022 finden in München die European Championships statt. Die Europameisterschaften in Sportarten wie Beachvolleyball, Leichtathletik, Radsport, Tischtennis und Turnen bringen ein “schneller, höher, stärker”-Gefühl in die Isarstadt - und vielleicht auch ein bisschen mehr “gemeinsam”.
von Dominik König
¹ Anmerkung des Autors: Anlehnung an den Staatsbürger in Uniform; dieser Begriff bezieht sich auf Soldaten, die den Werten der Bundesrepublik besonders verpflichtet sind.